Ein Leuchten, das alles in den Schatten stellt
In der Nacht, als die Hirten auf dem Feld liegen, erscheint er am Himmel. Man hatte ihn schon Tage zuvor beobachten können, doch die meisten Menschen vertrödelten ihre Zeit nicht damit, nach oben zu schauen. Drei Männer aber, die die Lichter des Himmels unablässig beobachteten, hatten ihn schon vor Monaten entdeckt. Sie befanden, es sei höchste Zeit, dem hellen Licht zu folgen, wohin auch immer es sie führen würde.
Sie gingen getrennt voneinander los und verließen ohne Zögern ihre Heimat. Später würde man sich erzählen, sie seien in ihrem Lande Könige gewesen, zumindest aber sehr weise Männer von hohem Rang. Niemand weiß, was sie auf ihrem Weg erlebten, doch man kann sich denken, dass er nicht immer leicht war. Auf heißem Wüstensand dürften sie gewandert sein und durch kahle Schluchten, in denen es kaum Nahrung und Wasser gab. Aber es kam für sie wohl nicht in Frage, aufzugeben.
Zunächst waren sie füreinander Fremde, die den weiten Weg nach Bethlehem machten und zufällig aufeinandertrafen. Wie sie ins Gespräch kamen? Keine Ahnung. Aber sie müssen gespürt haben, dass ihre Suche einem vorbestimmten Ziel folgte.
Vielleicht haben sie andere Menschen getroffen, die sie verfolgten, ihnen übel mitspielten, sie als Eindringlinge betrachteten und Angst vor ihnen hatten, weil sie anders waren. So geht es denen, die ihre Heimat verlassen, bis heute. Auch die Männer aus dem Morgenland werden nicht davor verschont geblieben sein.
Der Stern aber, der in seiner Größe am Nachthimmel erstrahlte, muss eine magnetische Wirkung gehabt haben. Auch wenn die Drei bis zum Schluss unsicher waren, was sich hinter der Sache verbirgt, sie sind hartnäckig geblieben. Als sie spüren, dass ihre Reise zu Ende ist, verlieren sie ihn plötzlich. Sie werden sich verwirrt umgesehen haben, doch der Stern ist aus ihrem Blickfeld verschwunden. Dieser Stern, der ihnen lange Zeit voraus zog, ist fort. Was blieb ihnen anderes übrig, als im Palast nach einem neuen König zu fragen, denn sie folgen ja nicht nur dem Himmelskörper, sondern einer Prophezeiung.
Was für ein Glück, dass sie Herodes keinen Glauben schenkten. Dass sie eine Warnung aussprachen, der die Heilige Familie zwar zu Flüchtenden machte, ihnen jedoch das Leben rettete. Die Könige werden glücklich gewesen sein. Glücklich, nach all der Mühsal das Kind zu sehen, es vielleicht sogar berühren zu dürfen. Und als sie wieder fortziehen, kommt es ihnen nicht in den Sinn, den Falschen von der Geburt Jesu zu berichten. Sie denunzieren nicht und setzen niemanden auf seine Spur.
Niemand verliert ein Wort darüber, was später mit dem Stern geschah. In dieser einen Nacht, als sein Licht alles in den Schatten stellt, als er zum Wegweiser wird und sich die Türen des Stalls öffnen, ist er da. Dann aber verglimmt sein Leuchten auch in der Erinnerung der Menschen. Und doch finden bis heute Menschen den Weg zur Krippe, in der noch immer das Kind liegt, das Gott versprochen hat. Das Kind, geboren für Könige, Hirten, Bettler, Wirtsleute, für dich und für mich. Sein Leuchten stellt alles in den Schatten – bis heute!