Juligefühle
Flirrende Hitze über dem Asphalt
Eisverkäufer – fahrradfahrend
und kalte Türme bauend
aus Stracciatella und Pistazie
Dahinter wartende Kundschaft –
die Abkühlung ersehnend
Träges Bienengesumm in der Luft
Kreischende Kinder in weißschäumender Gischt
Abgetriebene Schwimmreifen und vergessenes Spielzeug
Burgen aus Sand –
trutzig bewehrt mit Landesfähnchen und Muschelsammlung
Auf den Dünen sich wiegendes Gras – ganz ohne Lufthauch – wie von selbst
Leere Sonnenliegen in der Frühe – besetzt von buntem Frottee –
auf den Okkupator harrend
Gierige Möwen über Picknickdecken und Abfallbehältern
Streunende Hunde – Streicheleinheiten suchend
Sonnenschirme in blau, rot und gelb – stets kombiniert mit weiß
Strandkörbe als Heimersatz und Sonnencremeflecken auf Polstern
Trocknende Bikinis und Badehosen auf großen Steinen am Strand
Oben und unten ohne, was besser verhüllt bliebe
Campingplätze – das Urlaubsterrain eingezäunt wie Fort Knox
In langen Schlangen wartende Autos, die Insassen mit überhitzten roten Köpfen
Eine Schnecke, träge über das Pflaster gleitend,
den Salatgeruch wohl schon erahnend
Blumenpracht mit wippenden Köpfen auf zarten Stängeln
Verdorrte Wiese – durstig und erwartungsvoll den Regen erhoffend
Gewitterluft – elektrisierend in allen Grauschattierungen der Farbpalette
Maler am Straßenrand –
junge Mädchen mit starren Gesichtern in Kohle skizzierend
Marktstände – dicke Frauen in Kitteln davor und dahinter und
Berge von Kohlköpfen, Artischocken, Bohnen und Gemüse aller Art
Südlich enge Straßen – Bettler, die Chancen auf Kleingeld witternd, hocken dort
Kurze Röcke und Hosen mit weißen Tennissocken in Sandalen
Alte Schlager -
auf zerkratzten Gitarren von Straßenmusikanten gescheppert und intoniert
Den Ghettoblaster mit 2 x 60 Watt auf der Schulter – Bässe statt Herzschlag
Bauarbeiter im Unterhemd auf dem Gerüst – den Kurzberockten hinterherpfeifend
Zwischendurch ein durstiger Schluck aus der Bierflasche
Fußball im Sekundentakt an die Hauswand gekickt
Das leise Plopp von Federbällen auf Badmintonschlägern im Park
Grillkohlenduft aus Garten und Balkon –
den Rauch dem Nachbarn großzügig geschenkt
schwitzende Bratwurstpelle - manchmal verbrannt
Einsame Menschen mit Gehstöcken auf Parkbänken
Die Taubenschar fütternd mit dem Brot vom Vortag
Radfahrer sich fröhlich den Weg freiklingelnd auf Fußwegen
Noch in den Nächten offene Fenster und Ventilatoren auf vollen Touren
Lagerfeuer nicht wegen der Kälte sondern der Gemütlichkeit
Daran sitzt schwitzend die Pfadfindergruppe und singt „Old lang syn“
Durch Häuserschluchten ziehende Halbwüchsige, die Zigarette zwischen den Finger
Späte Nachtschatten, sich über alles legend, was der Sonne ausgesetzt war
Aufgehender Vollmond und zirpende Grillen, vom Julitag singend
Glühwürmchenleuchten erstaunt Kinderaugen,
die in der Hitze der Nacht schlafsuchend am Fenster stehen
Und noch ein letztes Sommerlied der Nachtigall,
Weit tragend durch die Vogelkehle hinausgeschleudert.
© Anja Ollmert